Sport als Antidepressivum?
Schwimmen, Joggen, Fahrradfahren – wer sich bewegt bleibt jung und fit. Doch nicht nur der Körper, auch der Geist profitiert: Studien zeigen, dass sportliche Aktivität bei der Therapie von Depressionen hilft.
Stress im Beruf, finanzielle Sorgen, Probleme in der Partnerschaft – die Schnelllebigkeit und der Leistungsdruck der Gesellschaft machen vielen zu schaffen. Während die Bewegungsrate der Menschen stetig sinkt, steigt die Prävalenz an Zivilisationskrankheiten wie Bluthochdruck oder Diabetes kontinuierlich an. Auch psychische Erkrankungen wie Depression oder Neurosen sind auf dem Vormarsch. Besteht hier ein Zusammenhang?
Inhaltsverzeichnis
Zurück zum Urmenschen
Anders als seine Vorfahren, die stundenlang jagten und körperlich hart arbeiten, sitzt der moderne Mensch viel im Auto, am Schreibtisch, vor dem Computer oder dem Fernseher. Genetisch gesehen ist der Mensch nicht für einen derartigen Lebensstil geschaffen und so kommt es mit dem Bewegungsmangel zu Volkskrankheiten wie Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes, aber auch psychischen Erkrankungen wie Depressionen.
Sport in den menschlichen Genen verankert
„Sport zu treiben, um auch seelisch im Gleichgewicht zu bleiben, ist schon in der Evolution des Menschen angelegt. Als Jäger und Sammler ist unser Organismus auf körperliche Anstrengung ausgerichtet“, erklärt Prof. Hans Förstl von der Psychiatrie des Klinikums rechts der Isar in München.
Der moderne Mensch besitzt noch 99 Prozent der genetischen Information des Urmenschen, der Drang nach Jagd und Bewegung ist in den Genen verankert. Körperliche Aktivität ist notwendig um das Herzkreislaufsystem in Schwing zu halten und Stress abbauen zu können.
Sport als Therapie bei psychischen Erkrankungen
Psychotherapeut Dr. med. Thomas Lukowski aus München erklärt gegenüber dem BR: „Sport hilft bei psychischen Erkrankungen, weil es ganz wichtig ist, aus dieser Passivität und Apathie herauszukommen.
Tipp: Spazieren gehen nach Meniskus-OP
Durch Eigenmotivation und durch das positive Feedback – ich mache etwas und hinterher geht es mir besser – findet man aus diesem Teufelskreis heraus.“ Eine Reihe von Studien stützen Lukowskis Aussage und belegen, dass Sport ein wesentlichen Betrag zur psychischen Gesundheit des Menschen leistet.
Endorphine und Serotonin durch Sport
Ursächlich für die Glücksgefühle, die Sport im Körper auslöst, sind molekulare Prozesse im Gehirn. Es kommt zu einer vermehrten Freisetzung an Endorphinen und den Neurotransmittern Serotonin, Noradrenalin und Dopamin. Durch regelmäßige körperliche Aktivität werden Betroffene psychisch robuster und ausgeglichener.
Nach körperlicher Belastung wird im Herz atriales natriuretisches Peptid (ANP) ausgeschüttet, das angstlösend und stressabbauend wirkt. Ein Wisschenschaftlerteam aus Kopenhagen konnte zeigen, dass die Konzentration des schützenden Peptids nach Belastung bei depressiven Patienten im Vergleich zu Gesunden vermindert war. Vermehrte sportliche Aktivität könnt helfen diese Differenz ausgleichen.
Sport: Überwinden eigener Grenzen
Stark depressive Patienten leiden oft unter einem geringem Selbstwertgefühl und starken Ermüdungszuständen. Sport hilft gegen diese inneren Widerstände anzukämpfen und sie zu überwinden. Stress wird abgebaut. Eine Hypothese, die die antidepressive Wirkung von Sport anführt, basiert auf der sogenannten Selbstwirksamkeitserwartung, bei der ein Mensch daran glaubt, durch eigene Kompetenzen selbst etwas zu erreichen. Zu guter Letzt kann körperliche Aktivität den Betroffenen kurzzeitig von seinen Selbstzweifeln und Sorgen ablenken.
Bereitschaft zum Sport muss vom Patienten kommen
Um depressive Patienten zum Sport zu animieren, bedeutet es viel Feingefühl und Verständnis von Seiten des betreuenden Therapeuten. En erhobener Zeigefinger wirkt in der Regel eher kontraproduktiv, der Patient muss selbst von dem Therapieansatz überzeugt sein und einen Gewinn darin für sich sehen.