Hunderte virtuelle Freunde und trotzdem allein
Noch nie wurde so viel gechattet, gelingt, geteilt und noch nie war die virtuelle Vernetzung so groß. Soziale Netzwerke nehmen eine immer größere Rolle im Leben der Jugend ein. Doch echte Freundschaften können sie nicht ersetzten. Besonders junge Nutzer von Facebook und Co. fühlen sich oft allein.
Laptops, Tablets und Smartphone sind inzwischen fester Bestandteil der heutigen Gesellschaft. Sie werden nicht nur für die Schule, die Uni oder die Arbeit genutzt, sondern dienen, besonders bei Jugendlichen, zum Austausch mit Freunden in der Cyperwelt. Doch auch hunderte von Facebook-Freunden ersetzen keinen echten zwischenmenschlichen Kontakt – immer mehr junge User fühlen sich einsam.
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Depressionen bei Jugendlichen nehmen zu
Nachfragen zu Themen wie Einsamkeit und Depression nehmen stetig zu, weiß Jugendberaterin Anna Zacharias vom Jugendtelefon in Wuppertal. Inwiefern ein Zusammenhang zu der Nutzung sozialer Netzwerke besteht, kann sie nicht beurteilen. „Aber anscheinend gibt es viele, die sich trotz der Vielfalt an sozialen Netzwerken isoliert und teilweise einsam fühlen.“ Was wie ein Widerspruch erscheint, wurde inzwischen durch diverse Studien belegt. Wissenschaftler der University of Michigan faden heraus, dass die Nutzung von Facebook das subjektive Wohlbefinden von Jugendlichen eher reduziert als steigert.
Facebook: Ich im Mittelpunkt
„Das Ego steht im Mittelpunkt und nicht die Beziehung zu anderen. Es dreht sich alles ums eigene Ich“, berichtet der österreichische Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier. Soziale Netzwerke zeigen nur die glänzende Oberfläche eines Menschen und dessen interessante Urlaubsfotos und Partyerlebnisse. Es ist nur eine Scheinwelt, die nur einen Funken der eigentliche Person hinter dem Profil offenbaren.
Problematisch: Vergleich mit anderen
Soziale Netzwerke ermöglichen es ständig über die aktuellen Erlebnisse der virtuellen „Freunde“ informiert zu sein, fördern jedoch auch den regelmäßigen Vergleich des eigenen Profils zu dem anderer User. „Am Ende des Tages bleibt die eigene Defiziterfahrung“, sagt Heinzlmaier. Und so entsteht ein Teufelskreis aus ständigem Vergleich und zunehmendem Gefühl von Einsamkeit.
Der Jugendforscher erklärt weiterhin: „Viele versuchen, über die virtuellen Kontakte all das zu bekommen, was man nur in der risikoreichen Welt da draußen bekommen kann. Sie wissen am Ende des Tages gar nicht, wer sie sind.“ Virtuelle Freundschaften stellen keinen Ersatz für echte zwischenmenschliche Kommunikation dar. Denn wahre Beziehungen entstehen durch gemeinsames Erleben, Lachen und Trauern. „Facebook limitiert und strukturiert die Kommunikation. Es gibt keinen Dislike-Button, soziale Rückschläge finden nicht statt“, erklärt Heinzlmaier. Auch teilt wohl kaum einer seinen persönlichen Misserfolge mit der sozialen Welt, zum Trösten und Trauern ist Menschennähe notwendig. Um sich vor Einsamkeit zu schützen reichen virtuelle Freunde also kaum aus.
Abstand gewinnen und Auszeiten nehmen
In Anbetracht der negativen Effekte, die soziale Medien wie Facebook auf die Persönlichkeit und das Selbstbewusstsein haben, wäre es sich nicht die einfachste Lösung sein Profil einfach zu löschen? Nein, antwortet Heinzlmaier: „Es geht nicht darum, sich aus den sozialen Netzwerken zu verabschieden, sondern möglichst schnell von einer virtuellen zu einer realen Beziehung zu kommen.“ Anna Zacharias empfiehlt, sich mehr „Zeit zu nehmen für Situationen, die außerhalb der medialen Welt stattfinden“. Auch wenn es eine gewisse Selbstdisziplin erfordert, sind regelmäßige Auszeiten von sozialen Netzwerken sehr zu empfehlen.