Kann Alzheimer bereits vor Ausbruch bekämpft werden?
Alzheimer gehört zu den größten Epidemien der Neuzeit. Aktuelle Studien lassen Hoffnung aufkommen: Eine präventive medikamentöse Behandlung kann zwar nicht vor der Krankheit schützen, aber ihren Ausbruch hinauszögern und den Verlauf verlangsamen.
Demenzerkrankungen sind zu einer regelrechten globalen Epidemie geworden. Weltweit erkranken immer mehr Menschen an Alzheimer, einer degenerativen Nervenerkrankungen, die zur Zerstörung des Nervengewebes im Gehirn führt und in der Demenz endet. Ist die Erkrankung erst einmal ausgebrochen, ist ihr Verlauf kaum aufzuhalten.
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Kann frühzeitige Therapie Demenz hinauszögern?
Doch wenn die Therapie bereits vor dem Eintreffen der ersten Symptome beginnt, lässt sich die Krankheit vielleicht hinauszögern. Das zumindest überprüft derzeit eine große internationale Studie. Mehrere Millionen Dollar werden in den kommenden drei Jahren in die Alzheimerforschung fließen – und zeigen damit wie wichtig und notwendig wissenschaftliche Fortschritte auf dem Gebiet sind.
„Neue Ära“ der Alzheimer-Prävention beginnt
Die groß angelegte internationale Studie leitet eine „neue Ära“ der Alzheimer-Prävention ein, schreibt die Neurologin Reisa Sperling von der Harvard Medical School in Fachmagazin Science Translational Medicine. In der sogenannten A4-Studie (Anti-Amyloid Treatment in Asymptomatic Alzheimer’s Disease) werden in den kommenden drei Jahren 1000 Menschen im Alter von 65 und 85 mit einem speziellen Medikament präventiv behandelt und die Auswirkungen auf eine mögliche Alzheimererkrankung untersucht.
Der Probandenpool wird vor allem aus Personen aus Nordamerika und Australien bestehen, die zwar altersbedingte Vergesslichkeit vorweisen, aber bisher neurologisch gesund sind. Allein ein erhöhtes Alzheimer-Risiko muss gegeben sein, was sich durch speziellen Gehinscans, sogenannte Positronen-Emissions-Tomographien (PET), feststellen lässt. Die Forscher vermuten, dass mehr als 5000 Freiwillige untersucht werden müssen, um 1000 passende Kandidaten für die Studie zu finden.
Medikament Solanezumab als neuer Hoffnungsträger
Die Hälfte der Probanden wird ein Medikament namens Solanezumab erhalten, die andere Hälfte ein Placebo. Das Präparat ist ein Antikörper, der im Gehirn das Protein Amyloid-beta unschädlich macht, dem eine tragende Rolle an der Entstehung von Alzheimer nachgesagt wird. Frühere Untersuchungen zeigten, dass das Medikament nur in frühen Stadien der Demenz zu wirken scheint. Doch beginnt die Zerstörung der Nervenzellen im Gehirn bei Betroffenen oft schon 10, 15 oder sogar 20 Jahre vor dem Eintreten der ersten Symptome – und genau darauf bauen die Wissenschaftler nun auf. Solanezumab soll die Zerstörung aufhalten oder zumindest bremsen bevor die Krankheit ausbricht. Innerhalb der nächsten drei Jahre wird sich zeigen, ob die Probanden, die das Medikament einnehmen, neurologisch weniger Schäden aufweisen und geistig fiter sind als die Vergleichspersonen. Sollten die Ergebnisse positiv sein, planen die Forscher eine zeitliche Verlängerung der Studie.
Umgang mit dem Wissen um Krankheitsrisiko
Nicht nur an den physischen Veränderungen der Probanden sind die Studienleiter interessiert, sondern auch dem psychologischen Umgang der Teilnehmer mit dem Wissen um ihr erhöhtes Alzheimer-Risiko. Wird der Gedanke an erhöhte Konzentrationen des Proteins Amyloid-beta die Betroffenen negativ oder positiv in Bezug auf ihren Lebensstil und ihre Lebenswahrnehmung beeinflussen? „Wir haben detaillierte Richtlinien erarbeitet, wie wir dem Probanden mitteilen, was wir wissen – und vor allem, was wir nicht wissen“, berichtet Reisa Sperling. Denn auch wenn ein erhöhter Amyloid-Spiegel aus statistischer Sicht auf ein erhöhtes Alzheimer-Risiko hinweist, definitiv beziffern lässt es sich dadurch nicht. Es ist also nicht nur der physiologische Aspekt, sondern auch der ethische, der die A4-Studie momentan zu einer der wichtigsten Studien auf dem Gebiet der Alzheimerforschung macht. Die Ergebnisse werden auf jeden Fall schon jetzt mit Spannung erwartet.