Organtransplantation: Patient wurde Fettleber transplantiert
Ein Chirurg aus Göttingen hat einem Patienten eine Fettleber transplantiert.
Im Prozess beteuerte er mehrfach, dass er nur das Beste für seine Patienten wollte.
Der Prüfbericht der Bundesärztekammer sieht das anders.
Inhaltsverzeichnis
Bei etwa 75 Prozent aller Fälle gegen Richtlinien verstoßen
Der angeklagte Chirurg vom Göttinger Universitätsklinikum sagte zum Transplantationsskandal, dass er immer nur das Beste für seine Patienten gewollt und getan habe.
‚NDR 1‘ berichtete im Sommer 2013 darüber, dass der Angeklagte seinen Patienten Tag und Nacht zur Verfügung gestanden habe. Sein Beruf sei ‚eine Lebensaufgabe‘.
Der Prüfbericht der Bundesärztekammer oder kurz BÄK, der nun veröffentlicht wurde, kann dem Chirurgen kaum Glauben schenken. Die Prüfungskommission hat 105 Fälle aus der Zeit untersucht, als der Angeklagte noch Leiter der Transplantationschirurgie in Göttingen war. Das Resultat waren Richtlinienverstöße bei 79 Patienten. Diese betrafen also über 75 Prozent aller Fälle.
Arzt handelte nicht zum Wohl der Patienten
Dem Prüfbericht zufolge, waren die Richtlinienverstöße nicht im Interesse der Patienten. Das Wohl der Patienten schien eher gefährdet zu sein. Viele der Betroffenen hätten nach Ansicht der Prüfer nicht für die Transplantation einer Spenderleber vorgesehen werden dürfen. Nach der Lebertransplantation hat sich der Gesundheitszustand teilweise bei den Patienten sehr deutlich verschlechtert.
Die Ärztekammer unterzog alle 24 Lebertransplantationsprogramme an deutschen Kliniken einer Prüfung. Die Ergebnisse wurden im September 2013 vorgestellt. Der Prüfbericht über den Transplantationsskandal am Göttinger Universitätsklinikum wurde erst jetzt veröffentlicht.
Versuchter Totschlag in elf Fällen
Der Arzt wurde wegen versuchten Totschlages in elf Fällen und vorsätzlicher Körperverletzung mit Todesfolge in drei Fällen angeklagt. Laut Prüfbericht sollen jedoch viel mehr Fälle vorliegen als vor Gericht im Prozess verhandelt werden.
Der Angeklagte soll Patientendaten manipuliert haben. Er soll die Patienten kranker dargestellt haben als sie waren. Dadurch wollte er erwirken, dass die Patienten schneller eine Spenderleber bekamen. Bei drei Patienten soll eine Lebertransplantation durchgeführt worden sein, obwohl sie keine Spenderleber benötigten.
Blutwerte wurden manipuliert
Bei einigen Patienten gab es bei einer angeblichen Blutabnahme unerklärliche Laborwerte, die nicht mit dem Krankheitsbild der Betroffenen übereinstimmten. Obwohl die Blutwerte eindeutig schlecht waren, handelten die Ärzte nicht. Einige Patienten waren Zuhause. Laut den Blutwerten hätten sie einer stationären Behandlung unterzogen werden müssen.
Die Prüfungskommission ist sich sicher, dass die Ärzte wussten, dass die Blutwerte nicht mit dem tatsächlichen Gesundheitszustand der Betroffenen übereinstimmten. Kurz vor der Lebertransplantation wurden die Blutwerte wieder richtig angegeben.
Die Laborwerte wurden am Tag der Blutabnahme angeblich an Eurotransplant übermittelt. Mehrere Patienten erklärten, dass sie an dem besagten Tag gar nicht in der Klinik waren.
Darüber hinaus wird vermutet, dass zwei der Betroffenen, denen am gleichen Tag eine Leber transplantiert wurde, das gleiche Fremdblut eines dritten Patienten erhielten.
Karzinom wurde bei Untersuchungen übersehen
Nachdem die Mitarbeiter im Labor auf die unerklärlichen Blutwerte aufmerksam machten, wurde ihnen gesagt, dass die Blutproben verwechselt wurden. Die Unterlagen wurden intern korrigiert. Eurotransplant erhielt darüber keine Nachricht.
Bei den Dialysen ist die Prüfungskommission auf zahlreiche Falschangaben gestoßen. Es wurden zum Beispiel bei vielen Patienten die Alkoholkarenzzeiten nicht überprüft. Auch bei den Untersuchungen sollen zahlreiche Fehler unterlaufen sein. Symptome wurden nicht abgeklärt. Bei einem Patienten wurde ein neun Zentimeter großes Karzinom einfach übersehen.
In dem Prüfbericht heißt es, dass dies ‚kaum nachvollziehbar‘ sei. Die fehlerhaften Untersuchungen hatten für die Patienten schwerwiegende Folgen. Die Prüfer meinen, dass in einem Fall die ‚absolut unzureichende‘ Medikation hätte verbessert werden müssen. Stattdessen erhielt der Patient eine Spenderleber. Im Anschluss musste er eine erneute Transplantation über sich ergehen lassen und verstarb.
Patient erhielt Fettleber
Ein Patient wurde erst durch die Lebertransplantation schwer krank. Bei der Spenderleber handelte es sich um eine Fettleber, die zu 90 Prozent verfettet war. Die eigene Leber des Patienten war deutlich gesünder.
Bei einer Patientin lag eine Kontraindikation vor. Sie hätte gar keiner Transplantation unterzogen werden dürfen. Bei ihr wurde dreimal eine Leber transplantiert. Die Frau starb an multiplem Organversagen.
Spenderzahlen deutlich zurückgegangen
Immer noch warten zahlreiche Menschen auf ein Spenderorgan. Durch den Transplantationsskandal sind die Spenderzahlen jedoch deutlich zurückgegangen. Das Vertrauen in die Ärzte und insbesondere in die Transplantationsmedizin ist zerstört.
Laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation oder kurz DSO wurden im Jahr 2013 nur noch rund 880 Organe von verstorbenen Menschen zur Spende entnommen. Kaum jemand erklärt sich noch dazu bereit, im Falle des Todes, Organe zu spenden.
Jeden Tag sterben drei Menschen, weil zu wenige Spenderorgane zur Verfügung stehen. Derzeit stehen rund 11.000 Patienten auf der Liste, die dringend auf ein Spenderorgan warten.